1. Grundlagen: Steuerbarkeit und Option
Grundsätzlich sind folgende Immobiliengeschäfte von der Umsatzsteuer befreit:
- Veräußerung von Grundstücken ($\S$ 4 Nr. 9a UStG): Steuerfrei sind Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) fallen.
- Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ($\S$ 4 Nr. 12a UStG): Dies umfasst auch grundstücksgleiche Rechte, wie das Erbbaurecht.
Von dieser Steuerbefreiung kann der Unternehmer unter bestimmten Voraussetzungen zur Umsatzsteuerpflicht optieren($\S$ 9 Abs. 1 UStG). Dies ist jedoch zwingend ausgeschlossen, wenn die Übertragung des Grundstücks eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen (GviG) gemäß $\S$ 1 Abs. 1a UStG darstellt.
1.1 Zweck der Option
Der Hauptgrund für eine Option zur Umsatzsteuerpflicht ist die Sicherung oder nachträgliche Geltendmachung des Vorsteuerabzugs. Der Veräußerer kann dadurch:
- Vorsteuerkorrekturen nach $\S$ 15a UStG vermeiden, die er auf die Anschaffung oder Herstellung der Immobilie abgezogen hatte, sofern der 10-jährige Berichtigungszeitraum noch nicht abgelaufen ist.
- Nicht abgezogene Vorsteuern auf Herstellungs- oder Anschaffungskosten nachträglich über die Korrektur nach $\S$ 15a UStG teilweise geltend machen.
- Vorsteuer auf mit der Veräußerung im Zusammenhang stehende Eingangsleistungen (z.B. Beratungskosten, Maklerleistung) abziehen, was ihm ohne Option verwehrt wäre ($\S$ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG).
- Die Quote der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze verbessern, was sich positiv auf den Abzug der Vorsteuer auf allgemeine Verwaltungskosten auswirkt.
2. Voraussetzungen der Optionsausübung
Die Option zur Umsatzsteuerpflicht ist an kumulative Voraussetzungen geknüpft:
2.1 Unternehmerstatus des Leistungsempfängers
Die Leistung (Veräußerung oder Vermietung) muss an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmenausgeführt werden.
- Eine Option ist ausgeschlossen, wenn an Privatpersonen für private Wohnzwecke vermietet wird.
- Bei Juristischen Personen des öffentlichen Rechts (J.P.d.ö.R.), wie Gemeinden, ist die Option nur zulässig, soweit die Nutzung dem unternehmerischen Bereich dient (z.B. einem Verkehrsunternehmen), nicht aber dem hoheitlichen (nicht-unternehmerischen) Bereich (z.B. Bürgeramt, Stadtbücherei).
2.2 Ausschließliche Verwendung für vorsteuerunschädliche Umsätze
Die strengste Anforderung ergibt sich aus $\S$ 9 Abs. 2 UStG: Der Leistungsempfänger muss das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwenden oder zu verwenden beabsichtigen, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.
Vorsteuerschädliche Mieter/Erwerber sind in der Regel:
- Ärzte, Zahnärzte, Heilpraktiker (wegen steuerfreier Heilbehandlungsleistungen nach $\S$ 4 Nr. 14 UStG).
- Banken und Versicherungen (wegen steuerfreier Finanz- und Versicherungsdienstleistungen nach $\S$ 4 Nr. 8 UStG).
- Kleinunternehmer ($\S$ 19 UStG), da ihnen der Vorsteuerabzug versagt ist.
- Land- und Forstwirte (wenn sie nach Durchschnittssätzen ($\S$ 24 UStG) versteuern), da dies einen leistungsbezogenen Vorsteuerabzug ausschließt.
Bagatellgrenze: Die Finanzverwaltung lässt eine Option dennoch zu, wenn der Leistungsempfänger das Grundstück höchstens zu 5 % für vorsteuerschädliche Umsätze verwendet.
Nachweispflicht: Der leistende Unternehmer (Vermieter/Veräußerer) trägt die Feststellungslast dafür, dass die Voraussetzungen beim Leistungsempfänger vorliegen. Dies erfordert in der Praxis detaillierte vertragliche Zusicherungen des Mieters zur Nutzung des Objekts.
3. Sonderfall: Teiloption und Altgebäude
3.1 Teiloption
Die Option zur Umsatzsteuerpflicht kann auch für einen räumlich abgrenzbaren Teil des Grundstücks ausgesprochen werden.
- Voraussetzung ist, dass die unterschiedlichen Nutzungsarten räumlich abgrenzbar und zuordenbar sind. Es ist nicht zwingend erforderlich, dass die Flächen durch Wände vollständig getrennt sind, aber eine eindeutige physische Abgrenzung muss möglich sein.
- Bei der Veräußerung eines Grundstücks mit Gebäude kann die Teiloption nicht auf Grund und Boden einerseits und das Gebäude andererseits aufgeteilt werden.
- Die Teiloption bezieht sich nur auf die Umsatzsteuerpflicht und -freiheit; die Leistung bleibt ansonsten eine einheitliche Leistung.
3.2 Altgebäude (Übergangsregelung nach $\S$ 27 Abs. 2 UStG)
Für sogenannte "Altgebäude" bestehen Ausnahmen von den strengen Optionsbeschränkungen des $\S$ 9 Abs. 2 UStG, um Vertrauensschutz zu gewährleisten.
Die Optionsbeschränkung des $\S$ 9 Abs. 2 UStG ist nicht anzuwenden, wenn:
- Mit der Errichtung des Gebäudes vor dem 11. November 1993 begonnen wurde.
- Das Gebäude vor dem 1. Januar 1998 fertiggestellt wurde.
In diesen Altfall-Konstellationen bleibt eine Option auch dann zulässig, wenn der Erwerber/Mieter das Gebäude für vorsteuerschädliche Umsätze verwendet, z.B. bei Vermietung an einen Arzt oder eine Versicherung.
Wann verliert ein Altbau seinen Status?
Ein Altobjekt wird zu einem Neuobjekt, wenn es durch tiefgreifende Umbauten so wesentlich verändert wird, dass:
- Die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudesgeben.
- Das Gebäude durch den Umbau eine wesentliche Funktions- und Zweckänderung erfährt (z.B. Umbau einer Industriehalle in kleine Vermietungseinheiten).
Wichtig: Die bloße Veräußerung eines Altobjekts führt nicht dazu, dass es zu einem Neuobjekt wird.
4. Formalien, Haftung und Berichtigung
4.1 Form der Optionsausübung
Bei der Veräußerung eines Grundstücks oder der Übertragung eines grundstücksgleichen Rechts muss die Option zwingend in dem $\S$ 311b BGB unterliegenden notariell zu beurkundenden Kaufvertrag erklärt werden. Die Option bedarf keiner Zustimmung des Leistungsempfängers; der Leistende kann sie einseitig ausüben.
4.2 Steuerschuldnerschaft (Reverse Charge)
Bei umsatzsteuerpflichtigen Grundstückslieferungen und der Übertragung grundstücksgleicher Rechte schuldet der Erwerber die Umsatzsteuer im Wege der umgekehrten Steuerschuldnerschaft ($\S$ 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG).
Rechnungsstellung: Der Veräußerer darf die Umsatzsteuer in der Rechnung oder dem Vertrag nicht ausweisen. Er muss zwingend mit der Formulierung „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ auf die Anwendung des $\S$ 13b UStG hinweisen.
4.3 Vorsteuerberichtigung nach $\S$ 15a UStG
Der einmal vorgenommene Vorsteuerabzug ist nicht endgültig, sondern unterliegt bei Immobilien einem Berichtigungszeitraum von zehn Jahren.
Auslöser der Berichtigung: Eine Berichtigung ist erforderlich, wenn sich die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse (Nutzung für vorsteuerunschädliche vs. vorsteuerschädliche Umsätze) innerhalb dieses Zeitraums ändern.
Beispiele für Nutzungsänderungen:
- Eine zuvor steuerpflichtige Vermietung fällt weg oder wird steuerfrei (z.B. durch Mieterwechsel zu einem Arzt oder Rücknahme der Option).
- Die Veräußerung der Immobilie innerhalb der 10 Jahre ohne Option zur USt-Pflicht gilt als fiktive steuerfreie Weiternutzung bis zum Ende des Berichtigungszeitraums und löst eine Korrektur aus.
Berechnung: Die Korrektur erfolgt pro rata temporis. Für jedes Jahr der geänderten Nutzung ist 1/10 der ursprünglich abgezogenen Vorsteuer an das Finanzamt zurückzuzahlen.
Bagatellgrenzen: Eine Berichtigung unterbleibt, wenn die Vorsteuer $\le$ 1.000 EUR beträgt oder wenn sich die maßgeblichen Verhältnisse um weniger als 10 Prozentpunkte ändern.
4.4 Vorsorgliche Option bei Geschäftsveräußerung im Ganzen
Da die GviG nicht steuerbar ist und eine Option daher ausscheidet, besteht das Risiko eines Vorsteuerschadens, wenn die Parteien irrtümlich eine GviG annehmen, obwohl tatsächlich ein steuerbarer, aber steuerfreier Verkauf vorliegt.
Um dieses Risiko zu mindern, kann eine vorsorgliche Option zur Umsatzsteuerpflicht erklärt werden. Diese muss unbedingt (d.h. nicht aufschiebend bedingt) erfolgen, um zu vermeiden, dass die Optionsfrist (formelle Bestandskraft der Jahressteuerfestsetzung) abgelaufen ist, wenn das Finanzamt nachträglich die GviG verneint.
5. Vorsteueraufteilung bei gemischter Nutzung
Soweit Eingangsleistungen (z.B. Gemeinkosten, Bauleistungen) nicht eindeutig vorsteuerabzugsberechtigten oder -ausschließenden Ausgangsumsätzen zugeordnet werden können, muss die Vorsteuer nach $\S$ 15 Abs. 4 UStG aufgeteilt werden.
5.1 Aufteilungsmaßstab
Die Aufteilung richtet sich nach einem wirtschaftlich vertretbaren Aufteilungsmaßstab oder einer sachgerechten Schätzung. Der Aufteilungsschlüssel nach dem Verhältnis der Umsätze (Umsatzschlüssel) ist nur zulässig, wenn kein anderer, präziserer Aufteilungsmaßstab ermittelbar ist.
5.2 Aufteilung bei Immobilien
Bei Immobilien gilt der Flächenschlüssel (Verhältnis der Nutzflächen in Quadratmetern) als der grundsätzlich anzuwendende, präzisere Maßstab.
- Nur wenn der Flächenschlüssel aufgrund erheblich abweichender Geschosshöhen oder Ausstattungen kein präziseres Ergebnis liefert, kann auf andere Methoden, wie den Bauaufwand oder einen objektbezogenen Umsatzschlüssel, zurückgegriffen werden.
- Wird dasselbe Objekt in abwechselnder zeitlicher Nutzung verwendet, ist die Aufteilung nach den Nutzungszeiten der präzisere Schlüssel.
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