Die Kleinunternehmerregelung ab 2025

Erstellt von Sebastian Schulze, Geändert am Sa, 5 Jul um 11:40 VORMITTAGS von Sebastian Schulze

Die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Umsatzsteuergesetz (UStG) wurde durch das Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) grundlegend überarbeitet und ist seit dem 1. Januar 2025 in ihrer neuen Fassung in Kraft getreten. Diese Reform dient der Umsetzung der EU-Richtlinie 2020/285 und zielt darauf ab, Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt zu vermeiden sowie das Wachstum und den grenzüberschreitenden Handel zu fördern. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 18. März 2025 Stellung zu den Änderungen genommen und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) entsprechend angepasst.


Wesentliche Änderungen im Detail


Die Anpassungen betreffen mehrere Kernbereiche der Kleinunternehmerregelung:

  1. Systematische Änderung: Von "Nichterhebung" zur "Steuerbefreiung"

    • Bisher wurde die von Kleinunternehmern geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben. Ab dem 1. Januar 2025 wird diese Regelung durch eine echte Steuerbefreiung ersetzt. Das bedeutet, dass die Umsätze von Kleinunternehmern nunmehr umsatzsteuerfrei sind.
    • Diese Änderung hat zur Folge, dass ein in einer Rechnung dennoch ausgewiesener Steuerbetrag nicht mehr als unberechtigter Steuerausweis nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldet wird, sondern als unrichtiger Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG gilt. Dies vereinfacht die Rechnungsberichtigung erheblich. Für Leistungen an Privatpersonen, bei denen ein unrichtiger Steuerausweis vorliegt und die Leistung tatsächlich ausgeführt wird, treten die nachteiligen Folgen des § 14c Abs. 1 UStG überhaupt nicht ein.
  2. Anhebung der Umsatzgrenzen

    • Die Umsatzgrenzen für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung wurden angehoben:
      • Im vorangegangenen Kalenderjahr: Der Gesamtumsatz darf 25.000 € (netto) nicht überschritten haben (bisher 22.000 €).
      • Im laufenden Kalenderjahr: Der Gesamtumsatz wird voraussichtlich 100.000 € (netto) nicht übersteigen. Die Grenze für das laufende Jahr ist nunmehr eine tatsächliche Grenze, keine Schätzung mehr.
    • Berechnung des Gesamtumsatzes: Der Gesamtumsatz wird nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) berechnet. Bestimmte steuerfreie Umsätze (§ 4 Nr. 8 Buchst. i, Nr. 9 Buchst. b und Nr. 11 bis 29 UStG) und Umsätze mit Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens sind nicht in den Gesamtumsatz einzubeziehen.
    • Die bisherige Regelung zur Umrechnung in einen Jahresgesamtumsatz bei Aufnahme der Tätigkeit in einem Teil des Kalenderjahres entfällt.
  3. EU-weite Kleinunternehmerregelung und besonderes Meldeverfahren

    • Mit dem neuen § 19a UStG wird ein besonderes Meldeverfahren eingeführt. Dieses Verfahren ermöglicht es inländischen Unternehmern, die Steuerbefreiung auch in anderen EU-Mitgliedstaaten anzuwenden. Umgekehrt können auch Unternehmer aus anderen EU-Ländern die deutsche Kleinunternehmerregelung nutzen.
    • Voraussetzung ist, dass der EU-weit ermittelte Jahresumsatz 100.000 € (netto) im vorangegangenen und laufenden Kalenderjahr nicht überschreitet.
    • Zuständig für die Durchführung des Meldeverfahrens und die Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten ist das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt).
    • Unternehmer erhalten eine spezielle Kleinunternehmer-Identifikationsnummer (KU-IdNr.) vom BZSt, die auf das Suffix „EX“ endet. Die Gültigkeit der KU-IdNr. kann über ein Bestätigungsverfahren überprüft werden.
    • Teilnehmer am besonderen Meldeverfahren müssen quartalsweise Umsatzmeldungen an das BZSt übermitteln. Änderungen der Angaben im Registrierungsantrag sind unverzüglich mitzuteilen. Bei Überschreiten der 100.000 € EU-Umsatzgrenze ist dies binnen 15 Werktagen anzuzeigen.
  4. Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung

    • Kleinunternehmer können weiterhin auf die Anwendung der Steuerbefreiung verzichten, um sich den Vorsteuerabzug zu ermöglichen.
    • Der Verzicht ist ab dem 1. Januar 2025 unwiderruflich.
    • Die Erklärung kann bis zum letzten Tag des Monats Februar des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahres abgegeben werden.
    • Ein Verzicht bindet den Unternehmer für mindestens fünf Kalenderjahre. Die Erklärung kann formlos erfolgen, z.B. durch die Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen oder Jahressteuererklärungen mit Berechnung der Steuer nach allgemeinen Vorschriften. Eine Umstellung der Rechnungslegungspraxis oder ein Ausweis der Umsatzsteuer allein genügen nicht. Ein teilweiser Verzicht ist nicht möglich.
  5. Rechnungsstellung für Kleinunternehmer

    • Der neu eingeführte § 34a UStDV regelt vereinfachte Rechnungsanforderungen für Kleinunternehmer.
    • Rechnungen müssen einen Hinweis auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer enthalten. Eine Angabe in umgangssprachlicher Form, z.B. "steuerfreier Kleinunternehmer" oder "Umsatz steuerfrei gem. § 19 Abs. 1 UStG", ist ausreichend, wenn sie die Steuerfreiheit eindeutig bezeichnet.
    • Kleinunternehmer sind nicht verpflichtet, E-Rechnungen auszustellen, auch über 2028 hinaus. Sie können weiterhin sonstige Rechnungen (z.B. Papier, PDF) versenden. Sie müssen jedoch in der Lage sein, E-Rechnungen zu empfangen und zu verarbeiten.
    • Die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) ist in Rechnungen von Kleinunternehmern im Regelfall nicht erforderlich. Für bestimmte Sachverhalte (z.B. innergemeinschaftliche Erwerbe, innergemeinschaftliche Neufahrzeuglieferungen) kann eine USt-IdNr. beim BZSt beantragt werden.
  6. Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Jahressteuererklärungen

    • Kleinunternehmer sind grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Jahressteuererklärungen abzugeben. Dies gilt für die Jahressteuererklärung bereits ab dem Besteuerungszeitraum 2024.
    • Sie können jedoch individuell vom Finanzamt dazu aufgefordert werden, z. B. bei innergemeinschaftlichen Erwerben oder wenn sie Leistungen erhalten, für die die Steuerschuldnerschaft auf sie übergeht (Reverse-Charge-Verfahren).
    • Zusammenfassende Meldungen sind für Kleinunternehmer nicht abzugeben.
  7. Vorsteuerabzug und Berichtigung

    • Kleinunternehmer sind grundsätzlich vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, da ihre eigenen Umsätze steuerfrei sind.
    • Ein Wechsel der Besteuerungsform (z.B. von der Kleinunternehmerregelung zur Regelbesteuerung oder umgekehrt) kann eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG erforderlich machen. Dies gilt für Wirtschaftsgüter und sonstige Leistungen, die nicht nur einmalig verwendet werden.
  8. Wechsel der Besteuerungsform

    • Überschreitet ein Kleinunternehmer im laufenden Kalenderjahr die Umsatzgrenze von 100.000 €, so unterliegt der Umsatz, der zur Überschreitung führt, der Regelbesteuerung. Bis zu diesem Zeitpunkt erzielte Umsätze bleiben steuerfrei.
    • Bei Unternehmensgründungen führt das Überschreiten der 25.000 €-Grenze im Gründungsjahr zu einem sofortigen Statusverlust und dem Übergang zur Regelbesteuerung.


Ausblick auf weitere relevante Änderungen

Neben den umfassenden Änderungen der Kleinunternehmerregelung sind weitere Entwicklungen im Umsatzsteuerrecht geplant oder bereits in Kraft getreten:

  • Verpflichtende E-Rechnung: Ab dem 1. Januar 2025 ist der Empfang von E-Rechnungen im deutschen B2B-Bereich verpflichtend. Für die Ausstellung einer E-Rechnung gelten Übergangsregelungen bis 2026 bzw. 2027, abhängig vom Umsatz. Wie erwähnt, sind Kleinunternehmer von der Pflicht zur Ausstellung ausgenommen.
  • "Ist-Besteuerung" (Cash Accounting) und Vorsteuerabzug: Ab dem 1. Januar 2028 ist der Vorsteuerabzug für Leistungen von Unternehmern, die ihre Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten berechnen (§ 20 UStG), erst dann abziehbar, wenn eine Zahlung auf die Leistung geleistet worden ist. Rechnungen von Ist-Versteuerern müssen künftig den Hinweis "Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten" enthalten.
  • VAT in a Digital Age (ViDA): Die EU hat ein Maßnahmenpaket zur digitalen Mehrwertsteuer verabschiedet, das digitale Berichtspflichten, Regelungen für die Plattformwirtschaft und eine einheitliche Mehrwertsteuerregistrierung umfasst. Die Einführungstermine sind auf Juli 2027, Januar 2030 und 2030 bis 2035 verschoben.


Fazit

Die Reform der Kleinunternehmerregelung ab 2025 stellt eine umfassende Anpassung an europäische Vorgaben dar und bringt sowohl Erleichterungen als auch neue Herausforderungen mit sich. Die Anhebung der Umsatzgrenzen auf 25.000 € (Vorjahr) und 100.000 € (laufendes Jahr) sowie die Umstellung auf Nettobeträge erweitern den Kreis der potenziellen Kleinunternehmer und schaffen mehr Spielraum für Wachstum. Die explizite Klassifizierung der Kleinunternehmerumsätze als "steuerfrei" und die mildere Behandlung von unrichtig ausgewiesener Umsatzsteuer sind positive Entwicklungen, die das Risiko für Fehler reduzieren.

Gleichzeitig erfordert die neue Regelung eine deutlich erhöhte Aufmerksamkeit bei der Umsatzüberwachung, da ein sofortiger Statusverlust bei Überschreiten der 100.000 €-Grenze (oder 25.000 € für Neugründer) droht. Dies macht eine kontinuierliche und präzise Buchführung unerlässlich. Die Einführung der EU-weiten Kleinunternehmerregelung eröffnet neue Möglichkeiten für grenzüberschreitende Aktivitäten, bringt aber auch neue Meldepflichten beim BZSt mit sich, die sorgfältig beachtet werden müssen. Insgesamt ist die Reform ein Schritt in Richtung Vereinfachung und Harmonisierung, verlangt aber von Kleinunternehmern eine genauere Kenntnis und Überwachung ihrer steuerlichen Situation.

Zusammenfassung als Arbeitshilfe

Für Kleinunternehmer ab dem 01.01.2025 sind folgende Punkte besonders wichtig:

  • Neue Umsatzgrenzen:
    • Vorjahr: Max. 25.000 € netto.
    • Laufendes Jahr: Max. 100.000 € netto.
  • Sofortiger Statuswechsel: Bei Überschreiten der 100.000 €-Grenze im laufenden Jahr (oder 25.000 € für Neugründer) unterliegt der überschreitende Umsatz sofort der Regelbesteuerung.
  • Steuerbefreiung: Umsätze von Kleinunternehmern sind ab 2025 umsatzsteuerfrei.
  • Rechnungen: Müssen einen Hinweis auf die Steuerbefreiung enthalten (z.B. "Umsatz steuerfrei gem. § 19 Abs. 1 UStG").
  • E-Rechnungen: Kleinunternehmer müssen keine E-Rechnungen ausstellen, aber in der Lage sein, diese zu empfangen.
  • Vorsteuerabzug: Kleinunternehmer sind grundsätzlich vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
  • Keine USt-Erklärungen: Kleinunternehmer sind in der Regel von der Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Jahressteuererklärungen befreit (gilt für Jahressteuererklärung bereits ab 2024).
  • Verzicht auf Regelung: Ein freiwilliger Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung ist ab 2025 unwiderruflichund bindet für mindestens fünf Kalenderjahre. Die Erklärung kann bis Ende Februar des übernächsten Kalenderjahres erfolgen.
  • EU-weite Nutzung: Es gibt ein neues Meldeverfahren (§ 19a UStG) beim BZSt, das die Nutzung der Kleinunternehmerregelung in anderen EU-Ländern ermöglicht (bei EU-weiten Umsätzen bis 100.000 €). Hierfür wird eine KU-IdNr. benötigt. Quartalsweise Umsatzmeldungen sind verpflichtend.

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