Betriebsaufspaltung

Erstellt von Sebastian Schulze, Geändert am Do, 28 Aug um 5:07 NACHMITTAGS von Sebastian Schulze

Betriebsaufspaltung: Ein steuerliches Rechtskonstrukt und seine Relevanz für gemeinnützige Organisationen


Die Betriebsaufspaltung ist ein rein steuerliches Rechtskonstrukt, das weder gesetzlich definiert noch explizit geregelt ist, aber auf einer etablierten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) beruht. Sie tritt auf, wenn ein wirtschaftlich einheitliches Unternehmen in zwei (oder mehrere) rechtlich selbstständige Unternehmen aufgeteilt ist: ein Besitzunternehmen und ein Betriebsunternehmen.


I. Tatbestandsmerkmale einer Betriebsaufspaltung

Eine Betriebsaufspaltung setzt kumulativ zwei wesentliche Verflechtungen voraus: die sachliche Verflechtung und die personelle Verflechtung.


1. Sachliche Verflechtung

Die sachliche Verflechtung liegt vor, wenn das Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen mindestens eine für dessen Geschäftstätigkeit wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung überlässt.

  • Definition der Wesentlichkeit: Ein Wirtschaftsgut ist wesentlich, wenn es zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich ist und ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für die Betriebsführung besitzt. Maßgebend ist dabei die funktionale Bedeutung des überlassenen Wirtschaftsgutes für das Betriebsunternehmen.
  • Beispiele für wesentliche Betriebsgrundlagen: Hierzu zählen regelmäßig materielle Wirtschaftsgüter wie bebaute Grundstücke, auf denen sich der Sitz der Geschäftsleitung, Produktionsstätten oder Verkaufsflächen befinden. Auch immaterielle Wirtschaftsgüter wie Patente oder Markenrechte können wesentlich sein. Selbst Büroräume gelten im Regelfall als wesentliche Betriebsgrundlagen, insbesondere wenn dort Leitung und zentrale Verwaltung stattfinden.
  • Kein Eigentum erforderlich: Das Besitzunternehmen muss nicht zwingend Eigentümer der überlassenen Wirtschaftsgüter sein. Ein ausreichendes Nutzungsrecht, z.B. aus einem Miet- oder Pachtvertrag, das zur Weitervermietung berechtigt (sogenannte unechte Betriebsaufspaltung oder Subleasing), genügt ebenfalls.
  • Abgrenzung: Die bloße Darlehensgewährung an eine Betriebsgesellschaft begründet in der Regel keine sachliche Verflechtung.


2. Personelle Verflechtung

Die personelle Verflechtung ist gegeben, wenn die hinter dem Besitzunternehmen stehenden Personen ihren Willen auch im Betriebsunternehmen durchsetzen können. Dies wird als Beherrschungsidentität bezeichnet und erfordert einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen.

  • Beteiligungsidentität: Im Idealfall sind an beiden Unternehmen dieselben Personen zu gleichen Beteiligungsverhältnissen beteiligt (Beteiligungsidentität).
  • Beherrschungsidentität einer Personengruppe: Auch bei ungleichen Beteiligungsverhältnissen kann eine personelle Verflechtung bestehen, wenn eine Person oder Personengruppe in der Lage ist, ihren Willen in beiden Unternehmen durchzusetzen. Hierbei kommt es auf die strukturelle Durchsetzungsmöglichkeit eines einheitlichen Willens an und nicht darauf, ob davon im Einzelfall tatsächlich Gebrauch gemacht wird.
  • Mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft: Die Rechtsprechung zur personellen Verflechtung hat sich dynamisch entwickelt. Eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an einer Besitz-Personengesellschaft kann seit dem BFH-Urteil vom 16.09.2021 (IV R 7/18) eine personelle Verflechtung begründen. Damit hat der BFH das sogenannte "Durchgriffsverbot" für diese Konstellation aufgegeben. Ob dies auch für Besitz-Kapitalgesellschaften (z.B. Schwesterkapitalgesellschaften unter einer gemeinsamen Muttergesellschaft) gilt, ist noch nicht abschließend geklärt. Die Finanzverwaltung geht bei Schwester-Kapitalgesellschaften derzeit nicht von einer personellen Verflechtung aus.
  • Faktische Beherrschung: In Ausnahmefällen kann eine personelle Verflechtung auch auf faktischen Grundlagen beruhen, ohne tatsächlichen Anteilsbesitz, wenn eine Person oder Personengruppe eine besondere tatsächliche Machtstellung innehat, um ihren Willen durchzusetzen. Ein bloßer wirtschaftlicher Druck aus einer schuldrechtlichen Rechtsbeziehung ist hierfür jedoch nicht ausreichend.
  • Zusammenrechnung von Anteilen: Anteile von nahen Angehörigen, insbesondere Ehegatten, können zur Ermittlung der Beherrschungsidentität zusammengerechnet werden, wenn sie eine geschlossene Personengruppe mit gleichgerichteten Interessen bilden.


II. Rechtsfolgen einer Betriebsaufspaltung

Liegen die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung vor, hat dies weitreichende steuerliche Konsequenzen:

  • Umqualifizierung der Einkünfte: Die bislang als vermögensverwaltend angesehene Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit des Besitzunternehmens wird als originär gewerblich qualifiziert. Das Besitzunternehmen erzielt somit Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG).
  • Betriebsvermögen: Sämtliche Wirtschaftsgüter des Besitzunternehmens, einschließlich der Anteile an der Betriebsgesellschaft, werden zu notwendigem Betriebsvermögen.
  • Keine erweiterte Grundstückskürzung: Das Besitzunternehmen kann die erweiterte Grundstückskürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht in Anspruch nehmen, da es durch die Betriebsaufspaltung kein rein grundstücksverwaltendes Unternehmen mehr ist.
  • Gewerbesteuer- und Körperschaftsteuerpflicht: Gewinne des Besitzunternehmens unterliegen der Gewerbesteuer und der Körperschaftsteuer (bei Kapitalgesellschaften als Besitzunternehmen).


III. Beendigung der Betriebsaufspaltung

Eine Betriebsaufspaltung endet mit dem Wegfall der sachlichen oder personellen Verflechtung. Dies kann unbeabsichtigt geschehen (z.B. durch Tod eines Gesellschafters, Wegfall einer wesentlichen Betriebsgrundlage) oder gezielt durch Umstrukturierungen herbeigeführt werden.

  • Folge der Beendigung: In der Regel führt der Wegfall zur Aufdeckung der stillen Reserven im Betriebsvermögen des Besitzunternehmens und damit zu einem steuerpflichtigen Betriebsaufgabegewinn (§ 16 Abs. 3 EStG).
  • Steuerneutrale Beendigung: Eine steuerneutrale Beendigung ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich, z.B. durch die Einbringung des Besitzunternehmens in die Betriebskapitalgesellschaft nach § 20 UmwStG [9, 37, 258a, 411, 421]. Hierfür ist eine genaue Analyse und vollständige Einbringung aller funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen entscheidend [10, 13, 258b, 422].
  • Verpächterwahlrecht: Unter bestimmten Umständen kann durch eine Betriebsverpachtung eine sofortige Betriebsaufgabe vermieden werden (Verpächterwahlrecht), dies gilt jedoch nicht für Kapitalgesellschaften [13, 228c, 364].


IV. Betriebsaufspaltung und Gemeinnützigkeit

Für gemeinnützige Körperschaften (z.B. Vereine, gGmbHs) hat eine Betriebsaufspaltung besondere und potenziell gravierende Auswirkungen auf ihren Status:

  • Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (wGB): Die Vermietungstätigkeit des gemeinnützigen Besitzunternehmens wird als steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (wGB) qualifiziert. Die aus diesem wGB erzielten Einkünfte sind nicht mehr steuerbefreit.
  • Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer: Die Gewinne aus diesem wGB unterliegen der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer. Dabei ist zu beachten, dass eine Freigrenze von 45.000 € Bruttoeinnahmen pro Jahr für alle wGB gilt; wird diese überschritten, ist der gesamte Gewinn steuerpflichtig. Bei Kapitalgesellschaften als Besitzunternehmen entfällt zudem der Gewerbesteuerfreibetrag von 24.500 €.
  • Risiken für den Gemeinnützigkeitsstatus:
    • Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsgebot (§ 56 AO): Eine Körperschaft ist nur dann gemeinnützig, wenn sie ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke verfolgt. Ein wGB ist zwar zulässig, darf aber nicht zum Hauptzweck werden oder die gemeinnützige Tätigkeit dominieren. Im schlimmsten Fall kann dies zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen.
    • Verstoß gegen das Gebot der satzungsmäßigen Mittelverwendung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 AO): Die Mittel einer gemeinnützigen Körperschaft dürfen nur für ihre satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Eine Überlassung von Räumen an eine gewerbliche Konzerngesellschaft unter Marktpreis würde als verdeckte Subventionierung und damit als Mittelfehlverwendung gewertet. Daher müssen marktübliche Mietenverlangt und dokumentiert werden.
    • Verstoß gegen das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO): Die im wGB erwirtschafteten Gewinne müssen nach Abzug der Steuern zeitnah für die gemeinnützigen Zwecke verwendet werden, um eine schädliche Gewinnthesaurierung zu vermeiden.
    • Trennungsrechnung: Es ist eine strikte buchhalterische Trennung (Trennungsrechnung) zwischen dem steuerpflichtigen wGB und den steuerbegünstigten Tätigkeiten erforderlich (§ 64 AO).
  • Ausnahmen: Die Grundsätze der Betriebsaufspaltung finden keine Anwendung, wenn sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen gemeinnützig sind. Wenn wesentliche Betriebsgrundlagen unentgeltlich überlassen werden, wird dies bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts in der Regel nicht als wGB eingestuft, wobei diese Frage bei privatrechtlichen gemeinnützigen Organisationen in der Literatur kontrovers diskutiert wird.


V. Gestaltungsalternativen und Risikominderung

Um eine ungewollte Betriebsaufspaltung oder ihre negativen Folgen zu vermeiden, können verschiedene Maßnahmen ergriffen werden:

  • Strukturelle Entflechtung: Eine Direktvermietung der wesentlichen Betriebsgrundlage vom Eigentümer (Dritten) an das Betriebsunternehmen würde das Besitzunternehmen aus der Vermietungskette nehmen und die Betriebsaufspaltung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen beseitigen.
  • Personelle Entflechtung: Eine konsequente Aufhebung der Personalunion in den Geschäftsführungsorganen beider Unternehmen kann die personelle Verflechtung unterbrechen. Dies kann durch die Bestellung unabhängiger Geschäftsführer oder die Stärkung von Vetorechten nicht beteiligter Geschäftsführer erreicht werden.
  • Vertragliche Anpassungen: Die vertragliche Gestaltung der Nutzungsüberlassung kann so angepasst werden, dass die sachliche Verflechtung abgeschwächt wird (z.B. kurze Kündigungsfristen, nicht-exklusive Nutzung, keine Überlassung wesentlicher Betriebsvorrichtungen). Dies ist jedoch oft die unsicherste Methode.
  • Akzeptanz und Management als wGB: Bei fortbestehender Betriebsaufspaltung kann diese als steuerpflichtiger wGB akzeptiert und proaktiv gemanagt werden, indem eine strikte Trennungsrechnung geführt, marktgerechte Mieten verlangt und die Steuerpflicht ordnungsgemäß erfüllt wird. Dies mindert die Risiken für den Gemeinnützigkeitsstatus.
  • Einheits-Betriebsaufspaltung: Durch die unmittelbare Beteiligung der Besitz-Personengesellschaft an der Betriebskapitalgesellschaft können personelle Entflechtungen in Erbfällen verhindert werden.


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