Gemeinnützige Organisationen in Deutschland unterliegen strengen steuerrechtlichen Vorgaben, die sicherstellen sollen, dass ihre Mittel ausschließlich und unmittelbar für die satzungsmäßigen, steuerbegünstigten Zwecke verwendet werden. Das zentrale Prinzip ist das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO), welches besagt, dass Mittel spätestens innerhalb von zwei Jahren nach ihrem Zufluss für die satzungsmäßigen Zwecke eingesetzt werden müssen. Ausnahmen bestehen für kleinere Organisationen mit Jahreseinnahmen von nicht mehr als 45.000 Euro, die von dieser Pflicht befreit sind.
Die Vergabe von Darlehen durch eine gemeinnützige Organisation ist grundsätzlich kein eigenständiger gemeinnütziger Zweck. Ihre Zulässigkeit hängt maßgeblich von der Herkunft der dafür verwendeten Mittel ab.
1. Darlehensvergabe aus zeitnah zu verwendenden Mitteln
Mittel, die dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung unterliegen (z.B. Spenden, Mitgliedsbeiträge, Überschüsse aus Zweckbetrieben oder steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben), dürfen nur unter sehr engen Voraussetzungen für die Vergabe von Darlehen eingesetzt werden.
Eine Darlehensvergabe aus diesen Mitteln ist nur dann unschädlich für die Gemeinnützigkeit, wenn sie selbst unmittelbar einen steuerbegünstigten Satzungszweck verwirklicht. Dies ist beispielsweise der Fall bei:
- Darlehen im Rahmen einer Schuldnerberatung zur Ablösung von Bankschulden.
- Stipendien für eine wissenschaftliche Ausbildung, die teilweise als Darlehen gewährt werden.
- Darlehen an Nachwuchskünstler für die Anschaffung von Instrumenten.
Voraussetzung hierfür ist, dass sich die Darlehensvergabe von einer gewerbsmäßigen Kreditvergabe dadurch unterscheidet, dass sie zu günstigeren Bedingungen als am Kapitalmarkt üblich erfolgt (z.B. zinslos oder zinsverbilligt). Zudem muss sichergestellt werden, dass die Rückflüsse (Tilgung und Zinsen) wieder zeitnah für die steuerbegünstigten Zwecke verwendet werden.
Die Vergabe von Darlehen aus zeitnah zu verwendenden Mitteln an andere steuerbegünstigte Körperschaften ist im Rahmen des § 58 Nr. 1 AO zulässig, wenn die empfangende Körperschaft die darlehensweise erhaltenen Mittel unmittelbar für steuerbegünstigte Zwecke innerhalb der vorgegebenen Frist verwendet. Bei solchen Darlehen an andere NPOs können die Konditionen flexibler gestaltet werden, da kein nicht-gemeinnütziger Dritter begünstigt wird.
2. Darlehensvergabe aus nicht zeitnah zu verwendenden Mitteln (insbesondere freie Rücklage)
Der Standardfall für die Vergabe von Darlehen, die nicht unmittelbar der Zweckverwirklichung dienen, sondern im Rahmen der Vermögensverwaltung ausgereicht werden, ist die Nutzung von Mitteln, die nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung unterliegen. Hierzu zählen insbesondere die Mittel der freien Rücklage nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO.
Die freie Rücklage ist eine der wenigen Rücklagen, die gemeinnützige Organisationen bilden dürfen, und sie unterliegt dauerhaft keiner Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung. Mittel, die in diese Rücklage eingestellt wurden, gelten steuerlich als verwendet und können auf unbestimmte Zeit im Vermögen der Organisation verbleiben. Ihre Ausreichung als Darlehen stellt eine zulässige Form der Vermögensumschichtung dar, bei der liquide Mittel in eine Forderung umgewandelt werden.
Für Darlehen aus der freien Rücklage sind folgende Punkte zu beachten:
- Wird ein Darlehen an eine nicht-gemeinnützige Person oder Organisation (z.B. einen Mitarbeiter, Gesellschafter oder eine gewerbliche Tochtergesellschaft) vergeben, muss es zwingend zu marktüblichen Konditionen erfolgen, insbesondere mit einer angemessenen Verzinsung. Ein zinsloses oder übermäßig günstiges Darlehen würde eine unzulässige Begünstigung Dritter bzw. eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen und die Gemeinnützigkeit gefährden.
- Die freie Rücklage kann als Reservenpolster oder Notfallfonds dienen und ist eine wichtige Kapitalbasis für größere Investitionen oder zur Gründung von Tochtergesellschaften.
3. Dokumentation und Satzungsmäßigkeit
- Satzung: Die Vergabe von Darlehen sollte in der Satzung der gemeinnützigen Organisation nicht als eigenständiger Zweck, sondern als Mittel zur Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke aufgeführt sein.
- Dokumentation: Sämtliche Darlehen müssen im Rechnungswesen entsprechend kenntlich gemacht werden, um die Nachprüfbarkeit durch die Finanzbehörden zu gewährleisten. Die Bildung der freien Rücklage muss durch einen förmlichen Beschluss des zuständigen Organs (z.B. Vorstand) erfolgen und lückenlos in der Buchführung bzw. einer Nebenrechnung (Mittelverwendungsrechnung) dokumentiert werden.
4. Gemeinnützigkeitsschädliche Darlehensvergabe
Eine Darlehensvergabe ist gemeinnützigkeitsschädlich, wenn:
- Sie aus zeitnah zu verwendenden Mitteln erfolgt und nicht unmittelbar einem steuerbegünstigten Zweck dient.
- Darlehen an eigene Arbeitnehmer oder fremde Dritte aus zeitnah zu verwendenden Mitteln stammen, ohne dass die o.g. Ausnahmen greifen.
- Darlehen an nicht-gemeinnützige Empfänger zu nicht marktüblichen Konditionen gewährt werden.
Solche Verstöße können zum Verlust der Gemeinnützigkeit führen.
5. Aktuelle Entwicklungen
Es ist wichtig zu beachten, dass die Bundesregierung eine umfassende Reform des Gemeinnützigkeitsrechts plant. Im Zuge dessen wurde ein Entwurf für ein Steuerfortentwicklungsgesetz (SteFeG) veröffentlicht, das die vollständige Abschaffung des Gebots der zeitnahen Mittelverwendung vorsieht. Dies würde auch die Notwendigkeit spezieller Rücklagenregelungen, wie der freien Rücklage nach § 62 AO, überflüssig machen. Zum aktuellen Zeitpunkt (August 2025) ist diese Änderung jedoch noch nicht final in Kraft getreten, sodass die hier dargestellten Regelungen weiterhin maßgeblich sind.
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