Die Mittelweitergabe gemäß § 58 Nr. 1 Abgabenordnung (AO)

Erstellt von Sebastian Schulze, Geändert am Di, 10 Jun um 12:39 NACHMITTAGS von Sebastian Schulze

Die Regelung des § 58 Nr. 1 AO ist für gemeinnützige Körperschaften von zentraler Bedeutung, da sie es ermöglicht, steuerbegünstigte Zwecke auch indirekt durch die Weitergabe von Mitteln an Dritte zu verwirklichen, ohne selbst operativ tätig werden zu müssen. Diese Vorschrift stellt eine **Ausnahme vom Grundsatz der Unmittelbarkeit** (§ 57 AO) dar, der normalerweise verlangt, dass eine Körperschaft ihre satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht.


Das Jahressteuergesetz (JStG) 2020 hat § 58 Nr. 1 AO umfassend neu gefasst und dabei die bisherigen Regelungen des § 58 Nr. 1 und Nr. 2 AO a.F. zusammengeführt. Die Neufassung ist seit dem 29. Dezember 2020 auf alle offenen Fälle anwendbar.


#### **1. Funktion und Umfang der Mittelweitergabe**


Die Vorschrift des § 58 Nr. 1 AO gestattet es steuerbegünstigten Körperschaften, **Mittel an andere steuerbegünstigte Körperschaften oder juristische Personen des öffentlichen Rechts** für die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke zuzuwenden. Dies umfasst sowohl die **Mittelbeschaffung** (z.B. durch Fördervereine oder -stiftungen) als auch die **Weitergabe bereits vorhandener Mittel**.


Der **Mittelbegriff** des § 58 Nr. 1 AO ist **umfassend** und entspricht dem allgemeinen Mittelverständnis nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 AO. Er schließt neben Bar- oder Buchgeld auch **sämtliches Sachvermögen** einer Körperschaft ein, wie beispielsweise die Übertragung eines Zweckbetriebs oder einzelner Wirtschaftsgüter. Eine entscheidende Neuerung durch das JStG 2020 ist, dass nun auch **vergünstigte Leistungserbringungen** unter den Förderbegriff fallen, sofern sie in einen steuerbegünstigten Bereich der Empfängerkörperschaft (ideeller Bereich bzw. Zweckbetrieb) eingehen. Werden Nutzungsüberlassungen oder Dienstleistungen zu einem die Kosten übersteigenden Betrag erbracht, finden die Regelungen des § 58 Nr. 1 AO jedoch keine Anwendung, da diese in der Regel einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind.


#### **2. Zulässiger Empfängerkreis**


Als Empfänger von Mitteln im Sinne des § 58 Nr. 1 AO kommen verschiedene Entitäten in Betracht:


*   **Inländische steuerbegünstigte Körperschaften**.

*   **Beschränkt steuerpflichtige Körperschaften aus EU-/EWR-Staaten** gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG.

*   **Inländische und ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts**.

*   **Ausländische Körperschaften**, die nicht beschränkt steuerpflichtig sind, bei denen die spätere Verwendung der Mittel für steuerbegünstigte Zwecke **ausreichend nachgewiesen** wird.


Eine **direkte Weiterleitung an natürliche Personen ist nicht zulässig** unter § 58 Nr. 1 AO. In solchen Fällen wäre vielmehr ein unmittelbares Tätigwerden im Zuge der Verwirklichung mildtätiger Zwecke im Sinne des § 53 Nr. 2 AO erforderlich, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.


#### **3. Satzungsanforderungen und Zweckidentität**


Die Mittelweitergabe ist nach § 58 Nr. 1 Satz 4 AO **kein eigenständiger steuerbegünstigter Zweck**, sondern eine **besondere Art der Zweckverwirklichung**. Dies bedeutet, dass reine Förderkörperschaften, die keine andere Art der Zweckverwirklichung betreiben, dies ausdrücklich in ihrer Satzung benennen müssen. Es muss jedoch **mindestens ein steuerbegünstigter Zweck** im Sinne der §§ 52 bis 54 AO in der Satzung angegeben sein, dessen Verwirklichung durch die Mittelweitergabe gefördert wird.


Ein entscheidender Punkt ist, dass die Neufassung des § 58 Nr. 1 AO **keine "Zweck-Synchronität"** mehr verlangt. Dies bedeutet, dass die Empfängerkörperschaft die erhaltenen Mittel nicht zwingend für die *gleichen* Satzungszwecke der Geberkörperschaft verwenden muss. So kann beispielsweise eine Körperschaft, die Wissenschaft und Forschung fördert, Mittel an eine steuerbegünstigte Körperschaft zuwenden, die Sport fördert. Dennoch wird empfohlen, eine etwaige Verwendungspraxis, bei der regelmäßig oder in nennenswertem Umfang Mittel für abweichende steuerbegünstigte Zwecke zugewendet werden, kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls die eigenen Satzungszwecke entsprechend zu erweitern, um die Korrespondenz zwischen Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung zu gewährleisten.


#### **4. Nachweispflichten bei Mittelweitergabe ins Ausland**


Besondere Sorgfalt ist geboten, wenn Mittel an ausländische Körperschaften weitergeleitet werden, die in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind. In diesen Fällen **muss die Verwendung der Mittel für die steuerbegünstigten Zwecke ausreichend nachgewiesen werden**.


Aufgrund von Auslandssachverhalten treffen die Förderkörperschaften gemäß § 90 Abs. 2 AO **erhöhte Mitwirkungs- und Beweisvorsorgepflichten**. Das Finanzamt entscheidet dabei nach Lage und Bedeutung des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, welche Nachweise gefordert werden.


**Die bloße Vorlage** der aktuellen Satzung, des letzten Jahresabschlusses und eines Tätigkeitsberichts – jeweils ins Deutsche übersetzt – **wird allein in der Regel nicht ausreichen**, um die Gemeinnützigkeit bei der Mittelweiterleitung ins Ausland anzuerkennen. Es gibt zwar abweichende Literaturmeinungen (z.B. Kirchhain, Weitemeyer/Bornemann), die davon ausgehen, dass diese Unterlagen „oftmals ausreichen“ könnten, die Quellen betonen jedoch, dass dies die Ausnahme und nicht die Regel ist.


Das Finanzamt kann im Rahmen der Verhältnismäßigkeit **weitere, gegebenenfalls übersetzte Unterlagen** als Nachweise der satzungsmäßigen Mittelverwendung im Ausland anfordern. Dazu gehören insbesondere:


*   **Im Zusammenhang mit der Mittelverwendung abgeschlossene Verträge**.

*   **Aussagekräftiges Material über die im Ausland getätigten konkreten Projekte**.


Für juristische Personen des öffentlichen Rechts (in- und ausländisch) ist der Nachweis der Mittelverwendung demgegenüber unproblematischer, da sie bereits kraft ihrer Rechtsform als begünstigte Empfänger gelten. Es wird lediglich vorausgesetzt, dass die erhaltenen Mittel letztlich steuerbegünstigten Zwecken zugutekommen und dies nachweislich erfolgt.


#### **5. Vertrauensschutz nach § 58a AO**


Der durch das JStG 2020 neu eingefügte § 58a AO soll die Rechtsposition steuerbegünstigter Körperschaften stärken, die Mittel im Vertrauen auf die bestehende Begünstigung der Empfängerin weiterleiten. Dieser Vertrauensschutz ist jedoch an eine **adäquate Nachweisführung zum Zeitpunkt der Zuwendung** gebunden.


**Wichtig ist, dass die Vertrauensschutzregelung des § 58a AO bei Mittelweitergaben an in Deutschland nicht steuerpflichtige ausländische Körperschaften nicht anwendbar ist**, da für diese in der Regel kein Nachweis im Sinne des § 58a Abs. 2 AO erbracht werden kann (z.B. ein Freistellungsbescheid oder eine § 60a AO-Feststellung).


#### **6. Konsequenzen bei Mängeln im Nachweis der Mittelverwendung**


**Fehler bei der Mittelverwendung** durch die ausländische Körperschaft oder **Mängel bei der Führung des qualifizierten Verwendungsnachweises können zum Entzug der Steuerbegünstigung bei der inländischen Förderkörperschaft führen**. Eine Mittelfehlverwendung kann gravierende steuerliche Konsequenzen haben, bis hin zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit, Nachversteuerung und Haftung der Verantwortlichen. Daher ist eine **klare Dokumentation der Mittelverwendung unerlässlich**, um die Einhaltung der steuerlichen Vorgaben nachzuweisen.


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