Zweckverwirklichung im Ausland - Mittelweitergabe vs. Hilfsperson

Erstellt von Sebastian Schulze, Geändert am Di, 1 Jul um 4:34 NACHMITTAGS von Sebastian Schulze

Zweckverwirklichung im Ausland durch Mittelweiterleitung nach § 58 Nr. 1 AO und Hilfsperson nach § 57 Abs. 1 AO – Voraussetzungen, Nachweise, Pflichten und Umsetzung


1. Einleitung


Steuerbegünstigte Körperschaften in Deutschland, wie gemeinnützige Vereine oder Stiftungen, können ihre satzungsmäßigen Zwecke nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland verwirklichen. Dies ist oft notwendig, um global humanitäre, soziale oder entwicklungspolitische Ziele zu verfolgen. Dabei stehen zwei zentrale Wege der Zweckverwirklichung zur Verfügung: die direkte Betätigung durch eine Hilfsperson im Sinne des § 57 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) oder die Mittelweiterleitung an eine andere Organisation nach § 58 Nr. 1 AO. Beide Ansätze haben spezifische Voraussetzungen und Pflichten, insbesondere hinsichtlich der Nachweisführung gegenüber den deutschen Finanzbehörden. Darüber hinaus können sich bei grenzüberschreitenden Leistungen umsatzsteuerliche Implikationen nach § 13b Umsatzsteuergesetz (UStG) ergeben, die auch den ideellen Bereich betreffen. Dieser Aufsatz beleuchtet die rechtlichen Grundlagen, erforderlichen Nachweise, die damit verbundenen Pflichten und die praktische Umsetzung dieser Formen der Auslandsförderung.


2. Rechtlicher Hintergrund: Gemeinnützigkeitsrecht und das Gebot der Unmittelbarkeit


Das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht verlangt von einer steuerbegünstigten Körperschaft, dass sie ihre satzungsmäßigen Zwecke ausschließlich, unmittelbar und selbstlos verfolgt (§§ 51-59 AO). Das Gebot der Unmittelbarkeit (§ 57 Abs. 1 Satz 1 AO) besagt dabei, dass die Körperschaft ihre Zwecke grundsätzlich selbst verwirklichen muss.


Allerdings sieht das Gesetz Ausnahmen vor, die ein arbeitsteiliges Zusammenwirken ermöglichen. Hierzu zählen:


  • Hilfspersonen (§ 57 Abs. 1 Satz 2 AO): Eine Körperschaft kann sich zur Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Zwecke auch beliebiger Dritter als Hilfspersonen bedienen. Das Handeln der Hilfsperson wird der Körperschaft zugerechnet, wenn nach den rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen das Wirken der Hilfsperson wie eigenes Wirken der Körperschaft anzusehen ist. Dies gilt ausdrücklich auch für den Einsatz von Hilfspersonen im Ausland.
  • Mittelweiterleitung (§ 58 Nr. 1 AO): Diese Regelung erlaubt es steuerbegünstigten Körperschaften, Mittel an andere steuerbegünstigte Körperschaften oder juristische Personen des öffentlichen Rechts für die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke zuzuwenden. Die Mittelweitergabe ist dabei keine eigenständige Zweckverwirklichung, sondern eine Art der Zweckverwirklichung. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage (bis 2020) gibt es keine absolute oder quotale Begrenzung des Umfangs der Mittelweitergabe mehr. Eine Zweckidentität zwischen der gebenden und der empfangenden Körperschaft ist nicht mehr zwingend erforderlich; entscheidend ist, dass die Mittel für irgendeinen steuerbegünstigten Zweck verwendet werden.
  • Inlandsbezug bei Auslandstätigkeit (§ 51 Abs. 2 AO): Für die Anerkennung der Steuerbegünstigung bei Auslandsaktivitäten ist ein struktureller Inlandsbezug erforderlich. Dieser liegt vor, wenn die Tätigkeit natürlichen Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland zugutekommt oder zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beitragen kann. Bei inländischen Körperschaften wird der mögliche Beitrag zum Ansehen Deutschlands im Ausland grundsätzlich bereits durch ihre personelle, finanzielle oder planende Beteiligung an gemeinnützigen Zwecken im Ausland unterstellt (Indizwirkung). Dies hat die praktische Umsetzung grenzüberschreitender Projekte erheblich erleichtert.


3. Zweckverwirklichung im Ausland durch Hilfspersonen (§ 57 Abs. 1 AO)


3.1. Voraussetzungen für den Einsatz von Hilfspersonen im Ausland


Der Einsatz von Hilfspersonen, auch im Ausland, ist zulässig, wenn ein klares Über- und Unterordnungsverhältniszwischen der steuerbegünstigten Körperschaft und der Hilfsperson besteht. Dies bedeutet, dass die Hilfsperson nach den Weisungen der Körperschaft einen konkreten Auftrag zur Verwirklichung der gemeinnützigen Zwecke ausführen muss. Die Körperschaft muss inhaltlich und vom Umfang her auf die Tätigkeit der Hilfsperson einwirken können und die weisungsgemäße Mittelverwendung sicherstellen.


Die Hilfsperson kann eine natürliche oder juristische Person sein. Ihre eigene steuerbegünstigte Eigenschaft ist für die Anerkennung des Hilfspersonenverhältnisses nicht erforderlich; auch gewerbliche Dienstleister können als Hilfspersonen eingesetzt werden, solange die Kontrollbedingungen erfüllt sind.


3.2. Nachweise und Pflichten


Die Tätigkeit im Ausland unterliegt erhöhten Nachweis- und Beweisvorsorgepflichten gemäß § 90 Abs. 2 AO. Die Körperschaft muss die tatsächliche Geschäftsführung (§ 63 AO) der Auslandsprojekte lückenlos dokumentieren. Sie kann sich nicht darauf berufen, die Mittelverwendung nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen zu können, wenn sie durch die Gestaltung der Verhältnisse die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Daher sind folgende Unterlagen – erforderlichenfalls ins Deutsche übersetzt – von entscheidender Bedeutung:

  • Schriftliche Verträge zwischen der Körperschaft und der Hilfsperson, die Inhalt und Umfang der Tätigkeiten sowie die Rechenschaftspflichten festlegen.
  • Belege über den Abfluss der Mittel ins Ausland und Bestätigungen des Zahlungsempfängers über den Erhalt der Mittel.
  • Ausführliche Tätigkeitsbeschreibungen der im Ausland entfalteten Aktivitäten.
  • Material über die getätigten Projekte (z.B. Prospekte, Presseveröffentlichungen, Fotos).
  • Gutachten von örtlichen Wirtschaftsprüfern oder ähnliches bei großen oder andauernden Projekten.
  • Zuwendungsbescheide ausländischer Behörden, wenn die Maßnahmen dort öffentlich gefördert werden.
  • Bestätigungen einer deutschen Auslandsvertretung, dass die behaupteten Projekte durchgeführt werden.
  • Abrechnungs- und Buchführungsunterlagen sind gemäß § 146 Abs. 2 AO im Inland aufzubewahren. Die Finanzbehörden müssen die zweckentsprechende Verwendung der Zuwendungen prüfen können.


3.3. Umsetzung


Für eine erfolgreiche Umsetzung ist eine enge Führung und Kontrolle der Hilfsperson unerlässlich, damit deren Handeln als unmittelbare Zweckverwirklichung der Organisation gewertet werden kann. Dies erfordert, dass alle wesentlichen Entscheidungen über Mittelverwendung und Projektgestaltung letztlich von der inländischen Organisation ausgehen oder genehmigt werden. Die Nachweispflichten müssen bereits bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden, indem detaillierte Berichtspflichten und Kontrollrechte der Hilfsperson vereinbart werden.


4. Zweckverwirklichung im Ausland durch Mittelweiterleitung (§ 58 Nr. 1 AO)


4.1. Voraussetzungen für die Mittelweiterleitung im Ausland


Eine Mittelweiterleitung im Sinne des § 58 Nr. 1 AO ist an folgende Bedingungen geknüpft:

  • Empfängerkreis:Als Empfänger kommen inländische steuerbegünstigte Körperschaften, juristische Personen des öffentlichen Rechts (inländische und ausländische), sowie ausländische Körperschaften in Betracht, bei denen die spätere Verwendung der Mittel für steuerbegünstigte Zwecke ausreichend nachgewiesen wird.
    • Für beschränkt steuerpflichtige Körperschaften aus EU-/EWR-Staaten, die inländische Einkünfte erzielen, muss die Empfängerkörperschaft selbst steuerbegünstigt sein. Dies kann aufgrund hoher formaler Satzungsanforderungen schwierig sein.
    • Für ausländische Körperschaften, die nicht in Deutschland steuerpflichtig sind (z.B. in Drittstaaten), reicht der bloße Nachweis aus, dass die Mittel tatsächlich für steuerbegünstigte Zwecke verwendet worden sind. Ein Rechtsformvergleich ist notwendig, um festzustellen, ob der Empfänger im Ausland einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) entspricht. Hierzu kann die Satzung in deutscher Übersetzung angefordert werden.
  • Mittelbegriff: Der Begriff der "Mittel" ist umfassend und schließt nicht nur Bar- oder Buchgeld ein, sondern sämtliche Vermögenswerte der Körperschaft. Auch die unentgeltliche Nutzungsüberlassung, Warenlieferungen oder verbilligte Erbringung von Dienstleistungen fallen darunter.
  • Satzungserfordernis: Wenn die Mittelweitergabe die einzige Art der Zweckverwirklichung eines Satzungszwecks ist, muss dies ausdrücklich in der Satzung der gebenden Körperschaft als Förderkörperschaft benannt sein (§ 58 Nr. 1 Satz 4 AO). Ist die Körperschaft auch operativ tätig, ist eine separate Satzungsklausel zur Mittelweitergabe nicht erforderlich, wenn ein Zweck sowohl unmittelbar als auch durch Mittelweitergabe verfolgt wird.
  • Keine Zweckidentität: Die Satzungszwecke der gebenden und der empfangenden Körperschaft müssen nicht identisch sein. Es genügt, dass die Mittel für die in der Satzung der Empfängerkörperschaft verankerten steuerbegünstigten Zwecke verwendet werden.
  • Vertrauensschutz (§ 58a AO): Seit 2021 wurde ein Vertrauensschutzmechanismus eingeführt. Dieser schützt die gebende Körperschaft vor dem Verlust der Gemeinnützigkeit, wenn sie auf einen gültigen Freistellungsbescheid oder eine entsprechende Feststellung der Empfängerin vertraut. Bei Mittelweitergaben an ausländische Körperschaften, die keinen solchen deutschen Bescheid haben, greift dieser Vertrauensschutz jedoch nicht automatisch. In diesen Fällen trägt die deutsche Organisation das Risiko und muss besonders sorgfältig Nachweise erbringen.


4.2. Nachweise und Pflichten bei Mittelweiterleitung ins Ausland


Auch bei der Mittelweiterleitung ins Ausland gelten die erhöhten Nachweispflichten nach § 90 Abs. 2 AO. Die inländische Körperschaft muss die zweckentsprechende Verwendung der Mittel durch die empfangende ausländische Organisation ausreichend nachweisen. Dies beinhaltet ähnliche Dokumente wie beim Hilfspersoneneinsatz:


  • Vertragliche Vereinbarungen (Mittelweiterleitungsvertrag) mit der ausländischen Partnerorganisation, die den Verwendungszweck, konkrete Projektziele, Berichtspflichten, Kontrollrechte und ggf. Rückforderungsrechte detailliert festhalten.
  • Finanzielle Nachweise: Belege über den Abfluss der Mittel ins Ausland und Bestätigungen des Zahlungsempfängers über den Erhalt der Mittel.
  • Detaillierte Tätigkeits- und Projektberichte sowie projektbezogenes Material (Prospekte, Presseveröffentlichungen, Fotos) der ausländischen Organisation.
  • Gutachten eines Wirtschaftsprüfers bei großen oder andauernden Projekten.
  • Bestätigungen deutscher Auslandsvertretungen oder anderer unabhängiger Stellen (z.B. internationaler Organisationen) über die tatsächliche Durchführung der Projekte.
  • Abrechnungs- und Buchführungsunterlagen der Empfängerorganisation sollten im Inland aufbewahrt werden.
  • Die Nachweise sollten ins Deutsche übersetzt werden.


4.3. Umsetzung


Für eine sichere Mittelweiterleitung, insbesondere in Länder wie Afghanistan, sind folgende praktische Schritte entscheidend:


  • Sorgfältige Partnerauswahl (Due Diligence): Eine eingehende Prüfung der Partnerorganisation vorab ist entscheidend, einschließlich ihrer Satzung, Registrierung und Referenzprojekte.
  • Staffelung der Mittelweitergabe: Eine Auszahlung in Etappen, verbunden mit Zwischenberichten und Belegen für jede Tranche, erhöht die Kontrolle und minimiert Risiken.
  • Umfassende interne Dokumentation: Eine detaillierte Projektakte mit allen relevanten Unterlagen, inklusive Korrespondenz und Protokollen, sollte geführt werden.
  • Einholung externer Bestätigungen: Wo immer möglich, sollten unabhängige Bestätigungen von lokalen Wirtschaftsprüfern, Rechtsanwälten oder vertrauenswürdigen Institutionen eingeholt werden. In Krisenstaaten wie Afghanistan kann die Glaubwürdigkeit offizieller Dokumente eingeschränkt sein, weshalb die Kombination mehrerer Quellen (z.B. kirchliche Stellen, unabhängige Prüfer, internationale Partnerorganisationen) ratsam ist.
  • Klare Kommunikationswege: Die Dokumentationsanforderungen müssen der Partnerorganisation von Anfang an klar kommuniziert und ggf. durch Musterformulare oder Schulungen unterstützt werden.


5. Umsatzsteuerliche Problematik im ideellen Bereich (§ 13b UStG)


Neben den gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen ist die Umsatzsteuer bei Leistungen aus dem Ausland zu beachten. Gemäß § 13b UStG kommt es zum Reverse-Charge-Verfahren (Umkehr der Steuerschuldnerschaft), wenn eine im Ausland ansässige Hilfsperson oder ein Dienstleister sonstige Leistungen an die inländische Körperschaft erbringt, die im Inland steuerbar sind.

  • Leistungsaustausch: Sobald ein Leistungsaustausch vorliegt (z.B. Dienstleistungen gegen Entgelt), greift § 13b UStG. Im rein ideellen Bereich (z.B. Spendenverwaltung ohne wirtschaftlichen Bezug) fehlt es regelmäßig an einem Leistungsaustausch, sodass § 13b UStG dort nicht greift.
  • Steuerschuldnerschaft: Bei Leistungen, die dem Zweckbetrieb oder dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind, wird die inländische Körperschaft zum Steuerschuldner und muss die Umsatzsteuer anmelden und abführen.
  • Kostenbelastung: Im ideellen Bereich besteht für die Körperschaft kein Recht auf Vorsteuerabzug. Das bedeutet, dass die anfallende Umsatzsteuer zu einer endgültigen Kostenbelastung wird und die für den gemeinnützigen Zweck verfügbaren Mittel schmälert. Dies stellt eine "versteckte" Kostenbelastung der Internationalisierung dar, die bei der Projektkalkulation berücksichtigt werden muss.


Daher ist es entscheidend, schon im Vorfeld internationaler Projekte die umsatzsteuerlichen Implikationen zu analysieren. Eine Alternative, um Umsatzsteuer zu vermeiden, kann die Mittelweitergabe nach § 58 Nr. 1 AO an eine ausländische Partnerorganisation sein, anstatt eine Dienstleistung durch eine Hilfsperson zu beziehen.


6. Fazit


Die Verwirklichung gemeinnütziger Zwecke im Ausland durch deutsche Körperschaften ist sowohl über den Einsatz von Hilfspersonen nach § 57 Abs. 1 AO als auch durch Mittelweiterleitungen nach § 58 Nr. 1 AO grundsätzlich zulässig. Beide Wege ermöglichen es, die internationale Zusammenarbeit zu fördern und humanitäre oder soziale Hilfe global zu leisten. Der deutsche Gesetzgeber hat mit den Reformen des Gemeinnützigkeitsrechts in den letzten Jahren die Mittelweiterleitung erheblich flexibilisiert, insbesondere durch den Wegfall der Zweckidentität und der Mengenbegrenzung.


Dennoch sind mit diesen Auslandstätigkeiten umfassende Dokumentations- und Kontrollpflichten verbunden, die insbesondere bei Projekten in Drittstaaten verstärkt greifen. Die Notwendigkeit, eine zweckentsprechende Mittelverwendung lückenlos nachzuweisen und sich vertraglich abzusichern, ist von größter Bedeutung, um den eigenen steuerbegünstigten Status nicht zu gefährden. Hinzu kommen umsatzsteuerliche Besonderheiten wie das Reverse-Charge-Verfahren, das zu einer nicht abzugsfähigen Kostenbelastung im ideellen Bereich führen kann.

Eine sorgfältige Planung, der Abschluss detaillierter Vereinbarungen, eine umfassende interne Dokumentation und die Nutzung externer Bestätigungen sind unerlässlich, um die rechtlichen Anforderungen zu erfüllen und eine wirkungsvolle, steuerlich unschädliche Projektarbeit im Ausland zu gewährleisten.



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