Kosten im finanzgerichtlichen Klageverfahren

Erstellt von Sebastian Schulze, Geändert am Mo, 14 Jul um 11:44 VORMITTAGS von Sebastian Schulze

Im finanzgerichtlichen Verfahren stellt sich häufig die Frage der Kostenverteilung. Während der Grundsatz der "Unterliegenslast" besagt, dass die unterliegende Partei die Verfahrenskosten trägt, gibt es wichtige Ausnahmen, die dazu führen können, dass auch ein Kläger, der in der Sache obsiegt, die Kosten ganz oder teilweise selbst tragen muss. Dieser Beitrag erläutert die relevanten Grundlagen und typische Fallgestaltungen.


1. Grundlagen der Kostenverteilung


Das finanzgerichtliche Verfahren ist im Gegensatz zum außergerichtlichen Einspruchsverfahren kostenpflichtig. Zu den Kosten gehören die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) sowie die notwendigen Aufwendungen der Beteiligten, wie beispielsweise Rechtsanwalts- oder Steuerberaterkosten. Das Finanzamt trägt seine eigenen internen Aufwendungen unabhängig vom Ausgang des Verfahrens stets selbst.

  • Grundsatz der Unterliegenslast (§ 135 Abs. 1 FGO): Der fundamentale Grundsatz besagt, dass die Partei, die im Verfahren unterliegt, grundsätzlich die Kosten des Verfahrens trägt.
  • Proportionale Kostenverteilung bei teilweisem Erfolg (§ 136 Abs. 1 FGO): Ist eine Partei nur teilweise erfolgreich, werden die Kosten in der Regel proportional zum jeweiligen Obsiegen und Unterliegen aufgeteilt oder gegeneinander aufgehoben.
  • Kosten bei Klagerücknahme (§ 136 Abs. 2 FGO): Zieht der Kläger seine Klage zurück, hat er grundsätzlich die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Verfahrensgebühr ermäßigt sich in diesem Fall auf die Hälfte.
  • Gerichtskosten und ihre Berechnung: Die Höhe der Gerichtskosten richtet sich nach dem Streitwert. Bei Erledigung der Hauptsache oder Klagerücknahme ermäßigt sich die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren auf die Hälfte.


2. Kostenentscheidung bei "Erledigung der Hauptsache" (§ 138 FGO)


Ein Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt, wenn der Streitgegenstand während des Verfahrens wegfällt oder bedeutungslos wird, sodass eine Entscheidung in der Sache nicht mehr getroffen werden braucht oder kann. Wenn die Hauptsache erledigt ist, muss das Gericht nur noch über die Kosten entscheiden.

  • Regelfall: Gerichtliches Ermessen (§ 138 Abs. 1 FGO): Bei Erledigung der Hauptsache entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dabei berücksichtigt es den bisherigen Sach- und Streitstand. Eine Beweisaufnahme ist in diesem summarischen Verfahren nicht mehr vorgesehen.
  • Sonderfall: Erledigung durch Handeln der Behörde (§ 138 Abs. 2 Satz 1 FGO): Erledigt sich der Rechtsstreit dadurch, dass die beklagte Behörde (z.B. das Finanzamt) dem Antrag des Steuerpflichtigen durch Rücknahme oder Änderung des Verwaltungsaktes stattgibt, sind die Kosten grundsätzlich der Behörde aufzuerlegen. Dies beruht auf der Annahme, dass die Behörde durch ihr ursprüngliches Handeln die Klage notwendig gemacht hat.
  • Wichtige Ausnahme: Anwendung des § 137 FGO (§ 138 Abs. 2 Satz 2 FGO): Diese Ausnahme ist entscheidend, denn sie ermöglicht es dem Gericht, von der Regel abzuweichen und dem obsiegenden Kläger die Kosten ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn die Voraussetzungen des § 137 FGO vorliegen.


3. Kosten trotz Obsiegens: Die Bedeutung des § 137 FGO


§ 137 FGO ist eine zentrale Ausnahme von den allgemeinen Kostenprinzipien und kann dazu führen, dass der Kläger trotz seines Erfolgs die Kosten trägt. Sie zielt darauf ab, unnötige gerichtliche Verfahren zu vermeiden und die Parteien zur frühzeitigen und vollständigen Sachdarstellung zu bewegen.

Die Vorschrift unterscheidet drei Konstellationen:


3.1. „Späteres Vorbringen von Tatsachen“ (§ 137 Satz 1 FGO)


Einem Beteiligten können die Kosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn er obsiegt hat, die Entscheidung aber auf Tatsachen beruht, die er früher hätte geltend machen oder beweisen können und sollen. Dies gilt für Tatsachen, nicht für verspätete Rechtsausführungen.

  • Verschulden: Es muss ein vorwerfbares Verhalten des Beteiligten vorliegen. Hierbei genügt jede Form der Fahrlässigkeit, auch leichte Fahrlässigkeit. Der Kläger muss objektiv und subjektiv in der Lage gewesen sein, die Tatsachen rechtzeitig vorzubringen.
  • Kausalität: Das verspätete Vorbringen muss ursächlich für die entstandenen Mehrkosten sein. Kosten, die auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Beteiligten angefallen wären, können ihm nicht auferlegt werden.
  • Beispiele für verspätetes Vorbringen, das zur Kostenlast des Klägers führen kann:
    • Der Kläger reicht seine Steuererklärungen erst während des Gerichtsverfahrens ein, obwohl er dazu bereits vorher verpflichtet war und keine besonderen unerwarteten Gründe für die Verspätung vorliegen (z.B. plötzliche Erkrankung). Arbeitsüberlastung allein reicht hierfür in der Regel nicht aus.
    • Der Kläger macht erstmals im Klageverfahren bisher unbekannte oder nicht geltend gemachte Aufwendungen (z.B. Werbungskosten, Betriebsausgaben, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen) geltend.
    • Der Kläger erläutert die näheren Umstände für bereits geltend gemachte steuermindernde Sachverhalte oder legt geeignete, geordnete Unterlagen erst im Klageverfahren vor, obwohl er seinen Mitwirkungspflichten im Verwaltungsverfahren unzureichend nachgekommen ist.
    • Die Aufhebung einer Ermessensentscheidung beruht darauf, dass der Kläger den fehlerhaft zugrunde gelegten Sachverhalt selbst vorgetragen hat.


3.2. „Kosten durch Verschulden eines Beteiligten“ (§ 137 Satz 2 FGO)


Kosten, die durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden. Dies umfasst sowohl prozessuales als auch vorprozessuales Fehlverhalten. Auch hier ist jede Form der Fahrlässigkeit ausreichend.

  • Beispiele für schuldhaftes Verhalten, das zur Kostenlast des Klägers führen kann:
    • Ein Beteiligter erscheint unentschuldigt nicht zu einem Beweisaufnahmetermin; die Kosten für einen erneuten Termin können ihm auferlegt werden.
    • Mutwilliges Verhalten, wie das Unterlassen der Abgabe von Steuererklärungen, was unnötige Kosten verursacht.
    • Verletzung von Aufzeichnungspflichten, die eine Zeugenvernehmung erforderlich machen.
    • Verzögerung des Verfahrens durch unvollständige oder fehlerhafte Angaben.


3.3. „Präklusion im Vorverfahren“ (§ 137 Satz 3 FGO)


Berücksichtigt das Gericht Erklärungen oder Beweismittel, die im Einspruchsverfahren nach § 364b AO rechtmäßig zurückgewiesen wurden, sind dem Kläger die Kosten zwingend aufzuerlegen, soweit die Klage deswegen Erfolg hat. Dies ist eine zwingende Kostenauferlegung, bei der dem Gericht kein Ermessen zusteht.


4. Wann das Finanzamt die Kosten trotz Abhilfe tragen muss (Gegenbeispiele zum Verschulden des Klägers)


Es gibt auch Fälle, in denen das Finanzamt die Kosten tragen muss, obwohl es dem Klagebegehren durch Abhilfebescheid entsprochen hat. Dies ist der Fall, wenn das Finanzamt selbst ein Fehlverhalten zu vertreten hat.

  • Beispiele:
    • Das Finanzamt hat das Gerichtsverfahren durch eine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung provoziert.
    • Das Finanzamt hat berechtigte Einwendungen des Klägers erst im Verfahren der Untätigkeitsklage geprüft und dann dem Klagebegehren abgeholfen.
    • Die ursprüngliche Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch das Finanzamt entsprach nicht den vertretbaren Grenzen.
    • Das Finanzamt hat die Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens ermessensfehlerhaft verweigert.
    • Wenn die ursprüngliche Steuerfestsetzung auf einer Rechtsnorm beruhte, deren Verfassungsmäßigkeit höchstrichterlich (z.B. vom Bundesfinanzhof) ernsthaft angezweifelt wurde, so ist die gerichtliche Auseinandersetzung zur Wahrung der Rechte des Klägers legitim und notwendig. Eine solche Klage ist dann nicht als "schuldhaft" oder "unnötig" im Sinne des § 137 FGO anzusehen, selbst wenn der spezifische verfassungsrechtliche Einwand im Einspruchsverfahren nicht explizit formuliert wurde.


5. Ermessen des Gerichts


Die Anwendung des § 137 Satz 1 und 2 FGO liegt im Ermessen des Gerichts. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit eines Beteiligten ist die Auferlegung der Kosten regelmäßig ermessensgerecht. Liegt hingegen lediglich leichte Fahrlässigkeit vor, kann das Gericht unter Umständen von einer Kostenauferlegung absehen, insbesondere wenn die Mehrkosten nur einen geringen Teil der Gesamtkosten ausmachen. Das Gericht muss bei seiner Entscheidung die Amtsermittlungspflicht des Finanzamts (§ 88 AO) und die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen (§ 90 AO) gegeneinander abwägen.



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