Zusammenfassung der wesentlichen Änderungen und Konzepte des neuen § 4 Nr. 21 UStG

Erstellt von Sebastian Schulze, Geändert am Do, 3 Jul um 6:10 NACHMITTAGS von Sebastian Schulze

Die Reform des § 4 Nr. 21 Umsatzsteuergesetzes (UStG) ist zum 1. Januar 2025 in Kraft getreten und zielt darauf ab, die Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen an die Vorgaben der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL), insbesondere Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j, anzupassen.


1. Erweiterung des Kreises der begünstigten Einrichtungen und Leistungen:

  • Begünstigte Einrichtungen: Neben privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen sind nun auch explizit Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit Bildungsaufgaben betraut sind (z.B. staatliche Schulen und Hochschulen), von der Steuerbefreiung umfasst.
  • Erweiterter Leistungsumfang: Die Steuerbefreiung erstreckt sich nun auf "Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung" und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen. Die bisherige Voraussetzung, dass die Leistung auf einen Beruf oder eine Prüfung vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts vorbereiten muss, wurde erweitert.


2. Begünstigte Bildungsleistungen im Detail:

  • "Schul- und Hochschulunterricht": Dieser Begriff wird unionsrechtlich eng ausgelegt und umfasst ein integriertes System zur Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in einem breiten und vielfältigen Spektrum von Stoffen. Dazu gehören auch Tätigkeiten zur Vertiefung und Festigung bereits erworbener Kenntnisse, wie z.B. Nachhilfeleistungen. Ausgeschlossen sind jedoch hochspezialisierte oder reine Freizeitaktivitäten, wie der Großteil des Fahrschulunterrichts für PKW oder Schwimmunterricht, da diese nicht das für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnende breite Spektrum abdecken.
  • "Ausbildung, Fortbildung und berufliche Umschulung": Dieser Bereich stellt die größte materielle Erweiterung dar. Es ist nicht mehr zwingend eine Vorbereitung auf eine förmliche Prüfung erforderlich. Es genügt, wenn die Schulungsmaßnahme dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten dient und es den Teilnehmern ermöglicht wird, die vermittelten Kenntnisse beruflich zu nutzen. Hierunter können auch Leistungen der allgemeinen Qualifikation fallen, wie z.B. IT-Schulungen, Computer-, Sprach- und Kommunikationskurse.
  • Abgrenzung zur Freizeitgestaltung: Leistungen, die ausschließlich oder überwiegend der Freizeitgestaltung dienen, bleiben von der Steuerbefreiung ausgeschlossen. Die Abgrenzung erfolgt im Einzelfall anhand der thematischen Zielsetzung, der Konzeption des Kurses und des angesprochenen Teilnehmerkreises.
  • Eng verbundene Leistungen: Auch Leistungen, die eng mit den begünstigten Bildungsleistungen verbunden sind, können steuerbefreit sein, sofern sie von den anerkannten Einrichtungen erbracht werden und zur Ausübung der Bildungsleistung unerlässlich sind, wie z.B. die Zurverfügungstellung von Lehr- und Lernmaterial unter bestimmten Bedingungen.


3. Das Bescheinigungsverfahren:

  • Weiterhin erforderlich: Für private Einrichtungen, die keine Ersatzschulen sind, bleibt eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde zwingend erforderlich.
  • Neuer Inhalt der Bescheinigung: Die Bescheinigung muss nun bestätigen, dass die Einrichtung "Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbringt".
  • Gültigkeit bestehender Bescheinigungen: Bescheinigungen, die vor dem 31. Dezember 2024 ausgestellt wurden, behalten grundsätzlich ihre Gültigkeit bis zum Ablauf eines etwaigen Gültigkeitszeitraums oder eines Widerrufs. Dies ist eine pragmatische Verwaltungsanweisung, die jedoch keine Bindungswirkung für Finanzgerichteentfaltet. Das bedeutet, dass im Streitfall ein Gericht die Steuerbefreiung versagen könnte, wenn die Bescheinigung nicht den neuen gesetzlichen Wortlaut enthält.
  • Rechtsnatur: Die Bescheinigung ist ein Grundlagenbescheid, der die Finanzämter hinsichtlich der grundsätzlichen Erbringung der bescheinigten Art von Bildungsleistungen bindet. Die Finanzbehörden behalten sich jedoch die Prüfung der weiteren materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung im Einzelfall vor.


4. Steuerbefreiung für selbstständige Lehrer ("Privatlehrer"):

  • Akzessorische Befreiung (Buchstabe b): Die Leistungen selbstständiger Lehrer, die im Auftrag einer begünstigten Einrichtung unterrichten (Subunternehmer), sind weiterhin steuerbefreit, wenn die beauftragende Einrichtung die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG erfüllt und somit eine entsprechende Bescheinigung besitzt.
  • Neue eigenständige Befreiung ("Privatlehrer" nach Buchstabe c): Erstmals wird der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht explizit befreit. Ein Privatlehrer ist eine natürliche Person, die Unterrichtsleistungen auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung direkt gegenüber dem Schüler erbringt. Diese Befreiung ist nicht an das Bescheinigungsverfahren gebunden. Auch hier können Fortbildungsleistungen steuerfrei erbracht werden, sofern sie den Kriterien des Schul- oder Hochschulunterrichts entsprechen. Unternehmen mit schulähnlichen Organisationsstrukturen, die auch Mitarbeiter beschäftigen, fallen nicht unter die Privatlehrerregelung.


5. Die "Vorsteuerfalle":

  • Die erweiterte Steuerbefreiung kann für gewerbliche Bildungsanbieter, insbesondere solche, die hauptsächlich B2B-Leistungen erbringen oder hohe Investitionen tätigen, zu einer "Vorsteuerfalle" werden. Da die Steuerbefreiung nach § 4 UStG zwingendes Recht ist und (anders als z.B. bei Vermietungsumsätzen) keine Option zur Steuerpflicht zulässt, kann dies zum Verlust des Vorsteuerabzugs führen. Dies kann erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben.


6. Empfehlung für die Praxis Obwohl bestehende Bescheinigungen vorerst ihre Gültigkeit behalten, bietet die Beantragung einer neuen Bescheinigung, die den erweiterten Leistungsbegriff explizit umfasst, langfristig mehr Klarheit und Schutz, insbesondere angesichts der begrenzten Bindungswirkung der aktuellen Verwaltungsauffassung gegenüber Finanzgerichten [Gesprächsverlauf, 80, 87, 398]. Dies ist besonders relevant für Anbieter, deren Leistungsportfolio sich durch die Reform neu als steuerbefreit qualifizieren könnte, und für selbstständige Dozenten, deren Umsatzsteuerbefreiung akzessorisch von der der Einrichtung abhängt [Gesprächsverlauf, 8, 14, 34, 74, 90, 140, 143, 190]. Eine frühzeitige Prüfung des eigenen Leistungsportfolios und die Abstimmung mit der zuständigen Landesbehörde ist ratsam.

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